Die Beyblade World-Championships 2017 in Japan waren beendet und die Sieger standen unbestritten fest: Die Demolition Boys.
Sie beobachtete ihn.
Er stand zusammen mit den anderen Demolition Boys in einer Ecke und nippte an seinem Getränk, ohne eine Mine zu verziehen. Groß, stoisch, attraktiv - irgendwie. Und bloß darauf bedacht, nicht zu viel Spaß zu haben - was angesichts der schlechten Musik nicht besonders schwierig war. Hätten sie nicht gewonnen, wären sie jetzt vermutlich schon in Sibirien. Buchstäblich.
Mariah seuzfte.
Das Getränk in ihrer Hand wurde langsam warm, so lange hielt sie es schon und war noch nicht einmal bei der Hälfte. Sie konnte gar nicht verstehen, dass ihre Freunde dieses ekelhafte Zeug trinken wollten. Ein Blick auf die White Tigers verriet ihr, dass das wohl auch schon in rauen Mengen geschehen war. Shochu schmeckte ihr einfach nicht - weder pur, noch gemischt.
Sie sah sich kurz um und stellte das Getränk auf einem der umstehenden Tische ab. In der riesigen Halle mit der mäßigen Beleuchtung würde das ohnehin nicht weiter auffallen. zur Feier des Tages wurde eine Bar aufgebaut und einige Stehtische in den Raum gestellt, während sie alle mit Musik unterhalten wurden, von der sie sich fragte, zu welcher Zeit die in den Charts gewesen war. Vermutlich Steinzeit - oder Kreidezeit. Muss auf jeden Fall etwas um die 1.000.000 Jahre her sein, anders war diese unterirdische Musik nicht zu erklären.
"Mach mir nen Cocktail", rief Mariah dem hübschen Barkeeper zu.
"Was für einen?", wollte dieser wissen und beugte sich ein Stück zu ihr.
"Egal, Hauptsache süß!", antwortete sie.
"So wie ich?", zwinkerte ihr der Barkeeper zu, bevor er sich umdrehte und Mariah die Chance nahm, auf seine Frage zu antworten. War vielleicht auch besser so, denn ihr wollte partout keine Antwort darauf einfallen. Stattdessen drehte sie sich fast automatisch noch einmal zu Bryan um.
Als neben ihr ein Glas auf die Theke gestellt wurde, drehte sie sich ertappt zurück zu dem süß lächelnden Barkeeper - oder eher wissend grinsend.
"Auf den stehst du? Na dann hab ich wohl keine Chance mehr", neckte er sie.
"Halt die Klappe!", brummte sie und bließ in den Strohhalm, was ihr Getränk zum Blubbern brachte.
Blödmann. Was fiel dem eigentlich ein?
"Ein einfaches Danke wäre auch okay gewesen", lachte der Barkeeper. "Du kannst gerne hier bleiben, bis du dich zu ihm hin traust - und in der Zwischenzeit mische ich dir noch ein paar Getränke", bot er an.
Skeptisch sah Mariah ihn an.
"Ich komm drauf zurück", meinte sie schließlich und beobachtete Bryan aus dem Augenwinkel. Allzu lange sollte sie sich nicht mehr Zeit lassen, denn die Demolition Boys sahen so aus, als wollten sie die Party nicht länger als unbedingt notwendig mit ihrer Anwesenheit beehren.
Soll heißen: sie wollten bereits vor fünf Minuten gehen - seit mindestens einer Stunde.
Statt in ihren Cocktail zu pusten probierte Mariah ihn zum ersten mal. "Mmh... der ist gut", murmelte sie vor sich hin.
20 Minuten und zwei Cocktails später war sie mit dem Barkeeper schon bei "Schätzchen" - und "Schätzchen" sollte jetzt endlich ihren Hintern da rüber schwingen, bevor es ihr leid tun würde, ihre Chance nicht genutzt zu haben. Also nahm "Schätzchen" all ihren Mut zusammen und watschelte einmal quer durch den Raum. So gerade wie möglich, was gar nicht so einfach war. War der blöde Raum auf einem Berg Wackelpudding gebaut worden? Jedenfalls schwankte es hier verdächtig - oder war das doch nur sie?
Mariah blieb direkt vor Bryan stehen, der sie durchdringend ansah.
"Ähm... ähm", stammelte sie verlegen und hielt sich an ihrem Glas fest.
"Hallo", presste sie heraus, drehte sich um und kniff ihre Augen kurz zusammen, bevor sie schnellstens davonstackste.
'Scheiße! Scheiße! Scheiße!', fluchte sie in Gedanken und ihre Flucht führte sie zielstrebig zurück zur Bar.
"Lief wohl nicht so gut, so schnell wie du wieder hier bist", grinste der freche Barkeeper.
"Halt die Klappe!", brummte sie schlecht gelaunt. "Mach mir lieber noch was zu trinken!"
Kopfschüttelnd mischte er ihr noch einen Drink, bevor er erneut dreckig anfing zu grinsen. Gerade, als Mariah ihn fragen wollte, warum er grinste, bestellte neben ihr jemand Wodka. In einem ziemlich russischen Akzent - und mit ganz viel Klischee.
Mariah versuchte unauffällig Bryan mit einem Seitenblick zu mustern. Bloß nicht zu offensichtlich!
"Du beobachtest mich", stellte Bryan schließlich fest, als er sein Glas entgegen nahm.
Fuck. Erwischt. Scheiße!
"Ähm..." - noch so ne intelligente Antwort und er fällt wahrscheinlich vor lauter Ehrfurcht ins Koma...
"Sie steht auf dich", grinste der Barkeeper und zwinkerte Bryan zu. Jetzt war es an ihm, überrumpelt zu gucken. Mariah währenddessen schickte ein bis hundert Todesblicke hinter die Theke zu einem zufrieden grinsenden jungen Mann. Irgendwer musste hier ja mal klare Verhältnisse schaffen.
Peinliches Schweigen herrschte zwischen Mariah und Bryan - und das auch nur, weil man "peinliches Schweigen" nicht noch steigern konnte. Jedenfalls grammatikalisch.
"Stimmt das?", fragte Bryan schließlich, als er endlich seine Sprache wieder gefunden hatte.
Abstreiten war eh zwecklos, also nickte Mariah einfach nur. Zum Sprechen war sie noch nicht bereit.
"Ich kenn dich zwar nicht, aber wenigstens bist du hübsch...", sagte er schließlich und musterte sie vom Scheitel bis zur Sohle. Wow, der wusste ja echt was Frauen hören wollten - aber vielleicht war das ja seine eigene verschroebene Art, ihr ein Kompliment zu machen?
"Mariah", sagte sie schließlich und streckte ihm eine Hand hin. Er ergriff sie.
"Bryan."
"Ich weiß." Verdammt! Alkohol hatte wirklich den unangenehmen Nebeneffekt, dass man erst redete und sich dann überlegte, dass das vielleicht keine besonders gute Idee war.
"Gibt es noch ein paar Sachen, die ich dir nicht selber sagen muss, weil du sie schon weißt?", fragte Bryan schließlich amüsiert, nachdem er bemerkte, dass sie ganz nebenbei vor Peinlichkeit wohl gerade am liebsten ein bisschen im Boden versinken würde. Also mindestens 2 Meter - aber wenn sie die Wahl gehabt hätte, wahrscheinlich lieber bis zum Erdkern.
"Nein", presste sie schließlich hervor und sah zu Boden. Konnte es noch schlimmer werden? Nur um das klar zu stellen: die Frage war rein rhetorisch und Mariah wollte lieber keine Antwort darauf.